Wir sind nicht alleine...
Artikel von Dr. med. JvLS geschrieben für die Vitasuisse, 2004
Ganz am Anfang der Bibel steht das bekannte Zitat: "Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei." Christine Hahne hat die Vorteile der menschlichen Gemeinschaft wie folgt formuliert: "Allein sein - auf sich verwiesen sein, für alles da sein müssen, vom tropfenden Wasserhahn bis hin zur Steuererklärung, sich ganz alleine aufraffen müssen, ins Kino zu gehen, zu wandern, ins Schwimmbad. Keiner, der zuhört, niemand, der ein tröstendes Wort sagt, niemand, der nachfragt: Wie geht es Dir? Zu zweit sein - da ist einer, der mitdenkt, einer, dem ich nicht egal bin, einer, der mir den Rücken freihält. Da ist einer, der ein gutes Wort für mich hat, einer, der mich ermutigt, aber auch mal konfrontiert, wenn es nötig ist, da ist einer, der für mich ist, mit dem ich verbunden bin."
Diese durch die Bibel betonte Notwendigkeit der Zusammengehörigkeit trifft nicht nur für unser wahrnehmbares Weltbild zu, sondern für praktisch alle hierarchischen Seinsstufen, im grossen wie auch im mikroskopisch kleinen. Wer glaubt, sein Körper stelle gegenüber der lebendigen Umwelt ein abgeschlossenes, einheitliches und "steriles" System dar, verfällt lediglich der Täuschung seiner groben Sinneswahrnehmung. In Wahrheit verkörpern wir „offene Systeme" und sind in einer kaum vorstellbaren Dynamik mit der äusseren Welt und der Welt der Mikroben (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten) vernetzt, ja sogar von gewissen Vertretern auf eine Weise abhängig, dass ohne sie das Leben in der uns bekannten Form gar nicht möglich gewesen wäre. In den vergangenen Jahrmillionen hat sich zwischen Mensch und Mikrobe ein Zusammenleben entwickelt, welches analog den übrigen in der Natur vorkommenden Phänomenen erstaunlich konstant und stabil ist und möglichst unberührt bleiben sollte. Dieses Urprinzip der Evolution ist die Symbiose, das Zusammenleben verschiedener Lebensformen zum gegenseitigen Nutzen. Schon vor Jahrmillionen verbanden sich Bakterien mit den Urzellen und ermöglichten somit die Photosynthese, die Verwertung von Sauerstoff und Licht. Es wird ebenfalls angenommen, dass die Verknöcherung des Fischskeletts und damit überhaupt die Fähigkeit, die Erdoberfläche zu erobern, einer Symbiose mit speziellen calciumverstoffwechselnden Keimen zu verdanken ist. So wurden in den energieliefernden Mitochondrien der Zelle sowie in den für unsere Blutgerinnung verantwortlichen Thrombozyten auch pflanzliche Eiweisse entdeckt!
Dieses als Naturkonstante aufzufassende Zusammenleben zwischen Mensch und Mikrobe zum gegenseitigen Nutzen findet beim Homo sapiens seine maximale Ausprägung im Darmtrakt, welcher alleine 1 - 3 Kilogramm Bakterien beherbergt! Mit jedem Atemzug gelangen 100'000 Bakterien in die Lungen, und die Haut und Schleimhäute sind übersät mit Keimen unterschiedlicher Herkunft. Bemerkenswert ist, dass aus der unüberschaubaren riesigen Anzahl von verschiedenen Keimgattungen und -arten nur ganz bestimmte aus der natürlichen Entwicklung für den Menschen selektioniert wurden. Es sind immer die gleichen Hauptgruppen von Bakterien, die angetroffen werden, gleichgültig, ob man in Sibirien oder in Australien geboren wurde. Daraus lässt sich unschwer die immense Bedeutung einer normalen Bakterien-Flora für den Menschen und seine Gesundheit abschätzen.
Die Schulmedizin vertritt immer noch die Meinung, dass das Blut steril sei. Auch diese offizielle Auffassung ist ins Wanken geraten, seitdem Keime namens Chlamydien in arteriosklerotischen Gefässveränderungen gefunden wurden. Hinlänglich bekannt ist auch die Gefahr der Infektion geschädigter Herzklappen nach Zahneingriffen. Offensichtlich ist damit die Streuung von Bakterien im Blut auch beim Gesunden eine vorkommende Erscheinung. Mittels der Dunkelfeldmikroskopie nach Enderlein und dem hochauflösenden Mikroskopiertechnologie nach Bradford (www.bradfordresearchinst.org/bvpm.html) lassen sich zudem im ungefärbten Frischblut weitere Lebensformen erkennen. Wahrscheinlich handelt es sich um sog. Mykoplasmen (zellwandlose Bakterienformen) und Pilzäquivalente, derer Bedeutung noch nicht im einzelnen abgeschätzt werden kann. Die gesundheitliche Auswirkung ist zudem eine Frage des Milieu's. Diese Überzeugung vertrat der Wissenschaftler Claude Bernard (1813-1878): "Nein, meine Herren, die Mikrobe ist nichts. Der Nährboden ist alles." Im Gegensatz dazu stand die Aussage von Louis Pasteur (1822-1895), dass die Mikrobe alleine für die Entwicklung einer Krankheit verantwortlich sein soll. Wer hatte Recht? Beide! Aber nur in der Gemeinschaft. Es ist stets die dynamische Wechselwirkung zwischen dem Milieu und dem Keim. Die Mikrobe erzeugt eine Krankheit und jede Krankheit bringt ihre Mikroben hervor. Die Balance zwischen dem Milieu und der Mikrobe entscheidet zwischen freundschaftlicher Symbiose und feindschaftlicher Dysbiose.
Dysbiose begünstigende Faktoren sind zum grössten Teil Produkte unserer Zivilisation und dem Glauben, dass unser Handeln der Natur überlegen sei. Viele Medikamente sind nicht nur ein Segen für die Menschheit sondern beeinträchtigen das natürliche Zusammenleben mit unseren Mitbewohnern auf bedenkliche Weise. In erster Linie ist der unkritische Einsatz von Antibiotika, Zytostatika, Immunsupressiva, Cortison und Magen-Säurehemmer (Die Magensäure dient auch der Desinfektion des Nahrungsbreies) zu nennen. Zudem sind die Umwelteinflüsse wie Fehlernährung, Stress und Schadstoffe wie Schwermetalle (Blei, Cadmium, Quecksilber aus dem Amalgam), Pestizide, Chemikalien, Farb- und Konservierungsmittel, Röntgen- und andere ionisierende Strahlen wichtige Einflüsse. Selbstverständlich kann sich aber auch die normale Alterung oder eine schlechte Hygiene auf unsere kleinen Mitbewohner negativ auswirken.
Mechanismen, die unsere Symbiose lenken, lassen sich exemplarisch an Hand der Vorgänge im Darmtrakt illustrieren. Das Immunsystem des Neugeborenen erlebt über den Darm den ersten intensiven Kontakt mit der mikrobiellen Welt. Dieser ist der wichtigste Erststimulus für unsere Abwehr und verhindert durch permanentes Immuntraining, dass nicht jede banale Erkältung uns in Gefahr bringt. Gesunde Darmbakterien verhindern zudem durch ihre Besetzung der potentiellen Haftstellen am Darmepithel (Nischenbesetzung) das Ansiedeln von krankmachenden Fremdkeimen. Ebenfalls sind die normalen Darmbewohner in der Lage, natürliche antibiotische Substanzen wie kurzkettige Fettsäuren, abgebaute Gallensäuren, Schwefelwasserstoff und Wasserstoffperoxid herzustellen. Die Darmkeime konkurrieren um Nährstoffe, Vitamine, andere Wachstumsfaktoren und Sauerstoff und senken das pH des Milieus durch die Freisetzung von Milchsäure oder Essigsäure aus den Kohlenhydraten. Die Ansäuerung verhindert zudem Fäulnisvorgänge und die Resorption von Toxinen wie Ammoniak aus der Eiweissverdauung.
Das Prinzip der Lebensgemeinschaft dringt aber noch weiter in die Tiefen unserer Individualität ein. Gemeint ist unser persönlicher Bauplan, die Chromosomen. Viren haben in den letzten 30 Mio. Jahren eine unglaubliche Fähigkeit entwickelt, sich in unsere Zellen einzuschleusen. Sie benutzen dazu bestimmte Virus-Andockungsstellen an der Zelloberfläche, sog. Integrine. Bemerkenswert ist, dass die selben Rezeptoren inzwischen auch für andere wichtige Lebensfunktionen genutzt werden wie für die gesunde Wundheilung, für das Knochenwachstum und sogar in der Embryonalentwicklung.
Verschiedene Viren tragen wir - einmal angesteckt - lebenslänglich in uns. Dies wurde vor allem bei den Herpes, Hepatitis, Ebstein Barr oder Masern Viren nachgewiesen. Während einer Infektion können bestimmte Viren ihr Erbmaterial nicht nur in "gewöhnlichen" Geweben einschleusen, sondern auch in Zellen, die sich später zu Fortpflanzungszellen wie Eier und Spermien weiterentwickeln. Ist dies einmal erfolgt, wird das Nachkommen diese Virusinformation in jeder einzelnen seiner Zellen mittragen. In unserem Erbgut verankert, bringen wir das Virus nie mehr heraus. Es kann während dem ganzen Leben unterschiedlich aktiv und für bestimmte konstitutionelle "Veranlagungen" verantwortlich sein und auch an die Kinder weitergegeben werden. So wundert es nicht mehr, dass ca 3% unseres genetischen Materials aus Virusgenen besteht. Zudem wurde ein Virus-Enzym entdeckt, die Revers Transkriptase, welches sich so viel mal in unserem Genom wiederholt, dass es ca 15% unserer Chromosomen ausmacht.
Offensichtlich müssen wir uns allmählich mit dem Gedanken anfreunden, dass unser Erbgut zu knapp 20% aus Viren-Anteilen besteht und wir mehr Bakterien in uns zu tragen als körpereigene Zellen. Sind sie Schwarzfahrer in unserem Organismus oder integrativer Bestandteil eines gigantischen Planes der Natur, deren Absicht wir noch nicht zu verstehen im Stande sind? Und, wer weiss, wird sich vielleicht die Symbiose eines Tages als eigentliches Vorbild, Motor und definitives Ziel der Evolution entschleiern, sowohl im grossen wie auch im kleinen, ganz nach dem Motto: "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst."
Gesundheitliche Auswirkungen einer Darmdysbiose
- Mangel an Vitamin B12, Biotin, Folsäure, Pantothensäure, Vorstufen von Vitamin K u.a.m.
- Verdauungsstörungen, Fettstühle
- Reizdarm mit Blähungen
- Krämpfe und schleimige Abgänge
- Darmentzündungen
- Gelenksentzündungen
- Schuppenflechte, Akne, Neurodermitis
- Chronisches Müdigkeitssyndrom
- Migräne
Symbioselenkung im Darm
- Gutes Kauen
- Gesunde, vollwertige Ernährung
- Ballaststoffe, Weizenkleie (Metamucil)
- Probiotika mit Lactobazillen und Bifidobakterien (bspw. Lactobact omni FOS), Colibakterien (Mutaflor, Symbioflor II)
- Colon-Hydrotherapie
- Verdauungsenzyme und Magensäuresubstitution b. Bedarf
- Gesunde Hefepilze wie Sacharomyces boulardii (Perenterol)
- Knoblauch, Bärentrauben
- Antipilzmittel bei Pilzbefall