Kantharidenpflaster
VORBEREITUNG | VERBAND |
BLASE | AUFSTECHEN |
SCHATTEN | KP am FINGER |
Das Kantharidenpflaster, kannten schon HIPPOKRATES und GALEN, wobei sie auch die «angenehmen» Eigenschaften der Lytta vesicatoria, nämlich die Verwendbarbeit als Aphrosidiacum (Tinctura cantharidis), schätzten und es innerlich als Mittel gegen Amenorrhoe, Frigidität und Sterilität verwandten. Die äusserliche Anwendung der Kanthariden als Vesikans war vor Beginn des Mittelalters kaum in Gebrauch, von da an wurde es immer häufiger gegen eine grosse Anzahl schmerzhafter und entzündlicher Zustände eingesetzt. Die wirksame Substanz im Kantharidenpflaster (Emplastrum cantharidis) ist das Kantharidin, das von der spanischen Fliege, einer in Mittel- und Südeuropa vorkommenden Käferart gewonnen wird.
Kantharidin stammt von den Käfern der Canthariden (auch spanische Fliege), die oft in grossen Scharen aus dem südlichen Europa nach Norden ziehen und sich auf Eschen, Linden, Liguster oder Geisblatt niederlassen. Sie werden gesammelt, getrocknet und zu Pulver verarbeitet, woraus man Pflaster, Salben, Tincturen, usw. herstellen kann. Das in diesen Käfern enthaltenen Gift, das Cantharidin ist ein starkes Hautreizmittel. Es rötet die Haut innerhalb kurzer Zeit und erzeugt nach einigen Stunden Blasen, ähnlich den Brandblasen. Diese Eigenschaft benützt man zur Auflage auf schmerzhafte Gelenke, Muskeln oder über anderen Organen.
Kantharidin wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts analysiert und als hochwirksames Hautreizmittel (wieder-)erkannt. Einige (höchstens 24) Stunden auf der Haut belassen erzeugt es erst intensive Rötung, dann eine mit Serum gefüllte Blase, die an eine Verbrennung II. Grades erinnert; dieser «Aderlass am Lymphsystem» wirkt am Ort der Applikation entlastend, lokale Stauungen zerstreuen sich meist schon in der Entwicklung der Brandblase, ein rascher Abfluss aus den behandelten Geweben ins Blut setzt ein. Durch Absaugen von überflüssigen und kranken Säften wird so der Krankheit der Boden entzogen. Die Blase wird aufgestochen und der Inhalt entleert. Die Heilung der Blasenwunde dauert etwa 10 Tage und hinterlässt in der Regel eine Hyperpigmentierung ("Schatten"), die bis zu einigen Monaten sichtbar sein kann.
Brandblasen sind ungewöhnlich wirksame Antiphlogistica, sie wirken resolvierend, krampflösend, beruhigend und schmerzstillend. Die Kantharidenpflaster-Behandlung ist eine energische Reizbehandlung, ein wirksames, umstimmendes Verfahren, wie Schröpfköpfe und (Blut-)Aderlass auch, indem sie die darniederliegenden Funktionen der humoralen Abwehr «aufrütteln». Dies geschieht mit Hilfe des Grundsystems (Pischinger), wie wir in einem späteren Beitrag bei der Beschreibung der Pustulantien sehen werden. Denn der Reiz der aufziehenden Blase verbreitet sich im ganzen Grundsystem, mobilisiert dort neue Kräfte zur Selbstreinigung und Entschlackung und die Qualität der Säfte bessert sich hiemit.